Wer durch das Tor geht, fühlt sich verwandelt. Es ist so. Diese geheimnisvollen Worte werden dem Kunstprofessor Eberhard Fiebig in den Mund gelegt. Der Bildhauer sprach über das Tor im Allgemeinen und das Tor der Freiheit, seiner Skulptur am Germania Campus, im Besonderen.
Sechs Tonnen schwer sind die drei zinnoberrot-lackierten Stahlträger, die in ihrer Form den Kassler Kunstprofessor an die japanischen „Torii“ erinnern. So heißen die Eingangstore zu einem Shintō-Schrein; das Tor markiert dabei die Grenze zwischen dem Profanem und Sakralem.
Am Germania Campus ist auf der profanen Seite ein großer Kundenparkplatz auf dem im Dezember Weihnachtsbäume angeboten werden. Das Sakrale dagegen steht hier für ein Potpourri an Dienstleistern. Vom Ärztehaus über die Tanzschule bis hin zur preisgekrönten Currywurstbude und zur soliden Küche mit Stern; es gibt nicht alles, aber vieles und natürlich Bio. Aber ob Bio oder Chemie, hier kann man sich noch auf das Wort der Menschen noch verlassen, sagt der nette Herr von der Reinigung „Ehrliche Menschen?“ „Ehrliche Menschen!“
„Wer durch das Tor geht, fühlt sich verwandelt. Es ist so.“
In Kassel steht das Tor des Irdischen Friedens. Es ist hundert Tonnen schwer und blau. Wieder einmal Kassel, denkt der Münsteraner Kunstfreund und Tordurchschreiter muffig und vor allem neidisch. Denn natürlich wird ein größeres Tor auch eine größere Verwandlung nach sich ziehen.
„Wer durch das Tor geht, fühlt sich verwandelt. Es ist so.“
Fiebigs Stahlskulptur scheint zeitlos. Der zinnoberrote Stahl wird auch noch in zehn, zwanzig, hundert Jahren zinnoberroter Stahl sein. Sehr nachhaltig.
Es ist, was es ist: Ein Relikt aus der industriellen Moderne. Schwerer Stahl. Krasse Feuer in Hochöfen und dicke Motoren. Der Lack spritz auf das glänzende Metall. Günter lacht. Wieder einmal hat er einen Steifen beim Anblick des kühlen, sinnlichen Materials. Sabine sagt: „Günter, du hast eine ästhetische Erfahrung.“ Günter lacht.
„Wer durch das Tor geht, fühlt sich verwandelt. Es ist so.“
Ich bin ehrlich: Ich habe keine ästhetische Erfahrung. Auch nicht im Kontext des Germania Campus. Nix.
„Wer durch das Tor geht, fühlt sich verwandelt. Es ist so.“
Nix. Tut mir leid. Aber versuchen sie es gerne selber. Die Kunst ist vierundzwanzig Stunden, sieben Tage die Woche zu sehen und in der Nähe gibt es noch, das ein oder andere Spektakel zu erleben.
Die ist kein Werbeblock für den Germania Campus. Es ist ein Erfahrungsbericht über eine nicht gemachte ästhetische Erfahrung. Ein Erfahrungsbericht über nix. Nix ist das. Für mich. Aber das muss jeder selber mit sich verhandeln.
„Wer durch das Tor geht, fühlt sich verwandelt. Es ist so.“
Ach, halt die Fresse.