Kategorien
Allgemein

Gerhard Richter. Zwei Graue Doppelspiegel für ein Pendel

Seit 2018 hat Münster seinen Richter und ein Foucaultsches Pendel.

Und wer gegenwärtig – also in der Weihnachtszeit – in die Innenstadt muss, um Wichtiges und Notwendiges zu erledigen, findet in der Dominikanerkirche nicht nur eine Verzahnung von Kunst und Wissenschaft, sondern auch einen Ort zum Ausatmen.

Mitte des 19 Jahrhunderts (1851) zeigte Léon Foucault mit seinem berühmt gewordenen Pendel, dass sich die Erde dreht. Im Panthéon in Paris ließ er eine Metall-Kugel mit Dorn an einem siebzig Meter langen Seil schwingen. Der Dorn zeichnete die Schwingungsebene des Pendels in den Sand, den Foucault auf dem Boden des Panthéons verteilt hatte. Zum Erstaunen des Publikum änderte sich die Schwingungsebene. Das Pendel änderte seine Richtung, schrieb sogar einen Kreis in den Sand. Das konnte natürlich nicht sein. Auf das Pendel wirkte nur die Schwerkraft. Aber wenn das Pendel seine Richtung nicht änderte, musste es der Boden unter dem Pendel tun.

Ecco! Ein Beweis. Die Erde dreht sich.

An den Wänden rechts und links des Pendels hat Gerhard Richter zwei graue Doppelspiegel angebracht. Auf der Internet-Seite der Kunsthalle Münster sucht Merle Radtke, Mit-Chefin bei der Realisation, eine Erklärung und zitiert Gerhard Richter: „Grau. Es hat schlechthin keine Aussage, es löst weder Gefühle noch Assoziationen aus […]. Und es ist wie keine andere Farbe geeignet, ‚nichts‘ zu veranschaulichen. Grau ist für mich die willkommene und einzig mögliche Entsprechung zu Indifferenz, Aussageverweigerung, Meinungslosigkeit, Gestaltlosigkeit.“ Radtke schreibt, dass die Besucher:innen durch die Spiegel immer auch ein Teil des Werks sind.

Wie auch immer: Der Trubel auf der Salzstraße, die Glühweinbrüder und -Schwestern hinterm Rathaus sind kurz vergessen, wenn er:sie vor dem Pendel Platz nimmt. Hier schwingt nicht die gute Laune, hier schwingt die Wissenschaft im Stelldichein mit der Kunst. Und bei der ganzen Schwingerei stellt man sich Fragen. Tiefe Fragen. Es schwingt nach rechts und ich atme ein. Es schwingt nach links, und ich atme aus.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert