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4×8 Flags from a Stone oder ich zeichne mir die Welt, wie sie mir gefällt

Noch bis Ende des Monats ist der Prinzipalmarkt beflaggt. 32 Fahnen mit seltsamen Piktogrammen hängen an den Buden der Kaufmannschaft. Doch leider weiß kaum jemand, was es mit den ganzen schönen Fahnen auf sich hat.

„Ist wieder Hansetafel, Europatag, Karneval oder handelt es sich, um eine klasse Marketingaktion eines Telefonanbieters (immerhin zeigen mehrere Flaggen so etwas wie ein Telefon)?“, fragt der neunmalkluge Marktgänger und die Shopping Queen lächelt. „Nein. Das ist Kunst, mein Freund.“

„Ach, Kunst ist das?“ Und zackizack wird das I Phone gezückt. Schnappschuss. Man weiß ja nie, was das jetzt wieder für eine Kunst ist. Vielleicht ist der Schnappschuss bald Gold wert. Denn Kunst ist das Gold des klugen Investors, weiß der Marktgänger und die Shopping lächelt. Sie ahnt: Mit Gold hat das ganze nur entfernt zu tun.

Die Flaggen sind teil der Ausstellungsreihe nimmersatt?, die gerade auf jeder Litfasssäule verkündet wird. An drei Orten fragen Kunstschaffenden nach den Grenzen des Wachstums und suchen in Installationen, Skulpturen und Performance einen Ausweg aus der Krise.

„Ach, ist wieder Krise?“, fragt der Marktgänger und die Shopping Queen lächelt. „Nicht für uns mein Schatz. Aber allgemein“, erklärt sie.

Wobei drei Orte noch nicht mal stimmt, da der Prinzipalmarkt definitiv auch ein Ort ist und somit an vier Orten Kunst gezeigt wird.

Am Prinzipalmarkt hat der der US-amerikanische Künstler Matt Mullican hat an 32 Fassaden fünf Meter lange Fahnen gehisst: 4×8 Flags from a Stone. Auf den Flaggen ein selbst entwickeltes Zeichensystem, Piktogramme, die im weitesten Sinne den Kreislauf von Ressourcen und Produktion zum Thema haben. Die Zeichen konzentrieren sich auf das menschliche Sein in der Welt (und wo sollte es sonst sein A.d.R.), in der Stadt, auf Formen des Handelns und des Warentauschs.

Matt Mullican? Den kenne ich doch irgendwoher, sagt der Marktgänger.

Bingo, sagt die Shopping Queen.

Tatsächlich war Matt Mullican schon 1987 zu den zweiten Skulptur Projekten in Münster. Damals hat er ein Zeichensystem vor das Chemische Institut auf 35 Granitplatten eingraviert (seit 2021 vor dem Pharma Campus), heute, dreizig Jahre später, hängen seine Symbole, seine Symbolsprache in der berühmten Guten Stube.

Damals schrieb der Kunsthistoriker Denys Zacharopoulos einen sehr, sehr, sehr, sehr geheimnisvollen Text über die Skulptur, also über die Granitplatten, der übersetzt, aber eigentlich nur aussagte, dass Mullican seine eigenen Piktogramme entwickelt hat.

„1987? Da war ich sechzehn“, sagt der Marktgänger, knuspert sein Fischbrötchen, und die Shopping Queen lächelt. „Ach du“, sagt sie und verabschiedet sich.

Der Markgänger bleibt alleine zurück. Mit seinen Fragen, ohne irgendwelche Antworten. Scheiß Kunst, denkt er.

Der Autor dieser Zeilen dagegen kann nur den Kopf schütteln. Scheiß Kunst, das denkt er nicht. Schwierig? Ja, sicher. Aber längst nicht so schwierig wie Alternativen zum Wachstum.

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