Ralf Haarmann mit erstem HörSpielPreis Münster geehrt

Das HörSpielLab Münster hat seinen ersten HörSpielPreis vergeben. Die Preisverleihung fand im Rahmen des Litfilms – Literaturfilmfestival statt und die Jury bestehend aus Anja Kreysing, Dean Ruddock und Ruth Messing kürte den in Münster und Berlin lebende Künstler Ralf Haarmann zum Gewinner dieses ersten HörSpielPreis Münster. In seinem Hörspiel „Urbanes Narrativ: Das Geheimversteck“ nehmen zwei Kinder die Hörenden mit an unbekannte Orte und führen sie in Gedanken auch an die Verstecke der eigenen Kindheit. 

“Es scheint, als reisten wir in die Fantasiewelt der Kinder. Die Komplizenschaft, die daraus entsteht, macht das Erleben dieses Hörspiels zu einer ganz persönlichen Erfahrung an einem sehr geheimen Ort.” So schreibt es die Jury des HörSpielPreis in ihrer Begründung. 

Neben „Urbanes Narrativ: Das Geheimversteck“ von Ralf Haarmann wurden noch zwei weitere Hörspiele mit einer lobenden Erwähnung bedacht. “Minespiel” vom Hörspiellabel Klappkatapult und „Über das Sterben – mit Werner Herzog“ von Anna-Lea Weiand.

Der HörSpielPreis sollte vor allem den kreativen Umgang mit dem Medium Hörspiel belohnen. Dies ist bei diesen drei honorierten Hörspielen besonders gut sichtbar und zeigt, wie kreativ die Hörspiellandschaft in Münster ist. Aber allein die Vielzahl an Einreihungen zeigt, was in Münster in Sachen HörSpiel los ist.

Die Jury-Begründung im Einzelnen

In „Urbanes Narrativ: Das Geheimversteck“ nehmen uns Jonte und Anton mit auf eine spannende Reise an einen geheimen Ort: Das Geheimversteck.

Die Klarheit dieser Ausgangssituation schafft etwas Erstaunliches: Wir Zuhörende werden direkt angesprochen und sind eingeladen, den Stimmen der beiden Kinder an einen besonderen, unbekannten Ort zu folgen. Wir gehen – erinnert an die eigenen Verstecke von damals und neugierig auf die kommenden Erlebnisse – gespannt und freudig mit. 

Die reiche Klangkulisse, die nie vorgibt, sondern immer auf die Protagonisten reagiert, versetzt uns mal in eine sehr konkrete, realistische Umgebung, mal in ein fantastisches, wundersames, fast rätselhaftes Umfeld. Es scheint, als reisten wir in die Fantasiewelt der Kinder. Dies regt wiederum die eigene Vorstellungskraft an: Die Komplizenschaft, die daraus entsteht, macht das Erleben dieses Hörspiels zu einer ganz persönlichen Erfahrung an einem sehr geheimen Ort. 

Die Jury des HörSpielPreis (Dean Ruddock, Anja Kreysing, und Ruth Messing v.l.n.r.) mit Preisträger Ralf Haarmann (r.)

Ralf Haarmann schafft es in diesem authentischem Hörspiel auf bestechende Weise völlig undidaktisch Fragen aufzuwerfen: Welche Räume gibt es für Kinder in unserer Stadt? Wo finden sie ihre Verstecke und geheimen Orte?

Ausschnitt aus dem Hörspiel „Urbanes Narrativ: Das Geheimversteck“

„Über das Sterben mit Werner Herzog“ kommt durch die Verwendung des „recyceltes“ Interviews mit Werner Herzog wie ein akustisches Readymade daher.

Es hat nicht die typischen Merkmale eines Hörspiels, verfolgt keine klare Story oder Dramaturgie. Stattdessen lenken neue Fragen die Antworten Herzogs aus einem unbekannt bleibenden Interview sanft  in neue, metaphysische Sphären, die sich mit dem Titel verbinden. Herzogs monologisierende Statements beginnen durch diese Rekontextualisierung zwischen einer Entlarvung der postromantischen Überhöhung des Schöpfer-Mann-Bildes der Moderne und authentischer biographischer Erfahrungen zu oszillieren. 

Regisseurin Anna-Lea Weiand

So lässt sich „Über das Sterben“ im Sinne eines erweiterten Hörspielbegriffes analog zum erweiterten Kunstbegriff in die aktuellen skizzenhaften, dekonstruktivistisch-rekontextualisierenden Tendenzen aktueller Kunst einordnen, ohne jedoch klar als Hörspiel oder Klangkunst einzuordnen zu sein.  Diesen frischen Zugriff möchten wir prämieren und Anna-Lea Weiand damit zu weiterer Entwicklung und vertiefter Ausarbeitung hybrider Hörstückformen anregen. 

Ausschnitt aus „Über das Sterben mit Werner Herzog“

Bei “Minenspiel” werden wir vom Hörspiellable „Klappkatapult“ im Found-Footage-Stil durch die Minen der Rheinkohle GmbH geführt.  Hier sind zwei Forscherinnen verschüttet worden und sollen unter größter Anspannung aller Beteiligten gerettet werden – doch da ist etwas… oder bilden wir uns das alle nur ein?

In einem Mix aus Radiobericht und Found Footage bekommen wir die Geschehnisse in der Miene mit. Die Berichterstattung ist dabei reißerisch, unmittelbar und durchgehend auditiv gedacht. Dies erinnert an den Hörspiel-Klassiker Krieg der Welten oder auch an den Horrorfilm The Blair Witch Project – in beiden Fällen wird das technische Rohe zum Beleg für Authentizität – so sehr, dass die Jury beim Hören unabhängig voneinander dazu verleitet wurde nachzuschlagen, was dran ist an dem Minenunglück von 1994:

Nichts, aber die vielen technischen Details im Text wirken gut recherchiert, die Geräusche erzeugen eine hörbare Enge und das Ergebnis ist eine glaubwürdige Atmosphäre, die gelegentlichen Längen und die Auflösung vergessen lässt.

Uns begeisterte die spielerische und liebevolle Arbeitsweise, mit welcher der Text improvisiert wurde: In einer Art online Pen & Paper Rollenspiel. Das Ergebnis kann sich auf jeden Fall sehen lassen.Es macht Spaß, diese Geschichte zu hören und wir wünschen uns mehr davon.

HörSpielPreis Münster – Die Einreichungen

HörSpiel findet in Münster statt und eine Reihe von Hörspielen entsteht jedes Jahr. Mit dem HörSpielPreis Münster möchte das HörSpielLab diese kreative Umgebung würdigen und sichtbar machen. Dabei soll explizit auch der kreative Umgang mit dem HörSpiel gefördert werden. Die insgesamt neun Einreichungen sind hier zu sehen und zum Teil auch zu hören.

Charles Dickens‘ Weihnachtsgeschichte – Theater ex libris

Nach der Vorlage des Klassikers von Charles Dickens bekommt am Heiligen Abend des Jahres 1834 der hartherzige Geldverleiher Ebenezer Scrooge Besuch von seinem Geschäftpartner Jacob Marley – aber der ist bereits seit sieben Jahren tot! So unheimlich beginnt Scrooges Reise zu den Weihnachtstagen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Es spricht das Ensemble des Theater ex libris mit Sitz in Münster, fast alle Sprecher:innen leben in Münster. Die Musik komponierten die Münsteraner Musiker Johannes Kraas und Philip Ritter; Hörspielbearbeitung und Regie: Christoph Tiemann. Aufgenommen in Münster. Produktion: Moritz Raestrup. „Charles Dickens Weihnachtsgeschichte“ ist das erste Studio-Hörspiel von Theater ex libris; bisher hat sich das Ensemble mit Live-Hörspielen im Münsterland einen Namen gemacht.

Der Priester aus der Unterwelt – Jack Turner Hörspiel-Kollektiv

Die Journalistin Tina Rainford-Stevens und der Forscher Gunnar Larson sind mit knapper Not dem wahnsinnigen Dr. Omaro und seiner Armee von Untoten entkommen. Gestrandet an der Westküste Kanadas finden sie Zuflucht in einer alten Siedlung, in der die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Schnell müssen die beiden feststellen, dass der Schein trügt. Denn hinter der Fassade der Gastfreundschaft lauert etwas in den Schatten: etwas Dunkles.

Das Jack Turner Hörspiel-Kollektiv sind Jan Schäferhoff, Tobias Mennemeyer, Eike Bußmann und Gunnar Schroeder. Alle vier sind sind alle haupt- oder nebenberuflich als Musiker oder Techniker in der Veranstaltungsbrache tätig. Elementarer Bestandteil des Konzepts des Kollektivs ist es, Musiker und Musikerinnen als Sprecher*innen in die Produktion einzubinden. Ziel war es außerdem eine Darstellungsform zu finden, die während der Corona Pandemie ohne die physische Anwesenheit größerer Menschengruppen auskam. Der „Priester aus der Unterwelt“ ist der dritte Teil einer Serie. Allerdings fehlt dieser noch der Erste Teil, welcher aber noch in diese Jahr mit „Tuaka – König der Menschenfresser“ erscheinen wird. 

Ein Clochard in Münster – Ilijas Thielert und Donata Godlewska

Ein sonniger Nachmittag in Münster unweit des Bahnhofs. Beseelt und erschöpft von der erfolgreichen Schnäppchenjagd ruht sich eine Frau auf dem Bremer Platz aus. Nach dem Kauf eines elektrischen Korkenziehers dachte sie jetzt könne sie nichts mehr schocken – dort einen waschechten Clochard aus Paris zu treffen überrascht sie dann doch. 

Donata Godlewska und Ilijas Thielert haben das Hörspiel erdacht und produziert. Erstellt wurde es in den Räumen des medienforum münster mit Sprecher*innen aus dem HörSpielLab.

Gru, gru, gruselig – Das verfluchte Schloss – ein Grusical-Hörspiel für die ganze Familie! – Corinna Bilke

Mira, ein Mädchen aus einem kleinen Dorf, begibt sich auf eine spannende Reise und stellt schnell fest, dass im Schloss der stets gelangweilten und schlecht gelaunten Hausherrin Miss Mary irgendetwas nicht stimmt…

2021 entstanden die Sprachaufnahmen im „Heavy Kranich Studio“ in Münster mit vielen Sprecher*innen aus Münster – den DONOTS, Christoph Tiemann, Gabriele Brüning, Andreas Ladwig, Konrad Haller, Nils Liebich und weiteren Sprecher*innen aus Berlin, München und Köln: Alin Coen, Christin Henkel, Keshav Purushotham.

Urheberin, Produzentin, Regisseurin und auch Sprecherin war Corinna Bilke. Sie ist Kinderliedautorin, Liedermacherin, Sängerin, Sprecherin und Schauspielerin und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Münster. Die studierte Gesangspädagogin hat bereits 3 Bücher mit CD mit poetischen Texten und jazzigen Klängen zum Mitsingen, Abtauchen, Tanzen und Träumen veröffentlicht. Sie leitet „Singen für Zwei – Gesangskurse für Schwangere und Eltern mit ihren Babys im ersten Lebensjahr“ im Haus der Familie Münster und spielt Familienkonzerte mit ihrer Corinna Bilke Band. 

Illustrator: Max Fiedler | Grafik: Nika Rams | Foto: Ute Friederike Scheinau

Minenspiel – Klappkatapult

„Minenspiel“ ist eine Geschichte im Mockumentary-Stil, die zu großen Teilen improvisiert und dann um gescriptete Bereiche ergänzt wurde. Alle Aufnahmen aus dem Bergwerk, die ihr hört, wurden über Sprachnachrichten „gespielt“. In Echtzeit. Über den Lauf einer Woche. Dabei kamen über 300 Sprachnachrichten und über 40 Seiten Chatverlauf zusammen. Anschließend ist ein großes Team hingegangen, hat das Material gesichtet, sortiert und bearbeitet und hat aus den Ereignissen, die sich in dem Bergwerk abgespielt haben, eine Radiodokumentation gemacht: Mit Fachleuten, Einspielern, extra komponierter Musik und einem großen Schlag an Hörspielmagie.

Klappkatapult ist das Label für Fictional Podcasts und Romane. Hier entstehen innovative Geschichten für dich: Mit viel Liebe produziert unser Team aus Autor*innen, Sprecher*innen, Sounddesignern, Grafiker*innen und Marketing-Experten die Geschichten von morgen und nutzen dabei die Vorzüge, die uns das Medium Podcast bietet. Regie führte bei „Minenspiel“ Robin Thier nach einem Drehbuch von Ann-Kathrin-Hickert, Jannis Gulde und Robin Thier. Produktion: Robin Thier, Michael Cremann, Patrick Schuster und Lena Hortian. Es sprechen unter Anderem: Charlotte Möller und Moritz Janowsky.

Zum ganzen Hörspiel kommt ihr hier.

Rattenfänger, Tod oder Kreuzfahrer – Korbinian Döderlein

Im Hörspiel ‚Rattenfänger, Tod oder Kreuzfahrer‘ wird der historische Kern der bekannten deutschen Sage unter die akustische Lupe genommen. Über den Prozess der Sagenüberlieferung werden seit Langem unterschiedliche Theorien aufgestellt. Um diese Theorien hinreichend auf ihren Wahrheitsgehalt untersuchen zu können, erinnert sich eine Zeitzeugin im Hörspiel an das Jahr 1284, um ihrer Enkelin die Geschichte möglichst korrekt weiterzuerzählen.

Das Hörspiel ist im Rahmen eines Universitätsseminars mit dem Titel „Vom Sprechstil zum Hörspiel“  unter der Leitung von Dr. Augustin Ulrich Nebert entstanden. Die Beteiligten Sabrina Bernemann; Maya Hillebrandt; Thilo Schmidt; Korbinian Döderlein sind alle Studierende. Regisseur Korbinian Döderlein ist freier Hörspielmacher und Mitarbeiter an der Forschungsstelle für Phonopoetik (WWU Münster), bei der er zudem den Hörspielpodcast ‚vOhrgestellt‘ betreut.

Das Hörspiel „Rattenfänger, Tod oder Kreuzfahrer“ zum Anhören.

Systemabsturz in einem Akt – Florian Rösler

“Systemabsturz in einem Akt” (2020) wurde 2020 produziert aus der Folge eines PC Absturzes, einem riesigen Datenverlust und einer diffusen Hilfestellung. Das Thema scheint durch den Hackerangriff auf die FH Münster wieder aktuell für viele Studenten zu sein.

Idee, Produktion und Stimme: Florian Rösler

Über das Sterben – mit Werner Herzog – Anna-Lea Weiand

„Über das Sterben – mit Werner Herzog“ (2020) ist ein Hörspiel im Interviewformat, in dem ich mit Werner Herzog über sein Nahtod-Erlebnis spreche. Dabei wird der von Herzog geprägte Begriff – ekstatische Wahrheit – erforscht.

Anna-Lea Weiand studiere seit 2017 an der Kunstakademie in der Klasse Mik

Ausschnitt aus dem Hörspiel „Über das Sterben – mit Werner Herzog“

Urbanes Narrativ: Das Geheimversteck – Ralf Haarmann

Jonte und Anton zeigen ihr Geheimversteck und führen die Hörer*innen in andere Welten. Die Grundidee war musikalischer Natur: Ich wollte die Kinder in den Mittelpunkt stellen und die Musik aus ihren Stimmen ableiten. Aber „Das Geheimversteck“ ist nicht „nur“ ein Musikstück, sondern vielmehr ein Hörspiel, das alle akustischen Möglichkeiten ausschöpft, um die Hörerinnen und Hörer mitzunehmen in eine eigentümliche und abenteuerliche Kinderwelt.

Regie, Komposition und technische Realisation: Ralf Haarmann. Er studierte von 2002 bis 2005 „Elektronische Komposition“ an der Folkwang-Hochschule Essen, verließ die Hochschule allerdings vorzeitig. Sein Schaffen umfasst Kompositionen für Hörspiel, Theater und elektro-akustische Konzertstücke. Er veröffentlicht unter dem Namen Haarmann und ist Mitglied der Formationen haarmannhommelsheim (mit Christiane Hommelsheim) und randomTRIGGER (mit Silvia Munzón Lopéz). Zusammen mit Christiane Hommelsheim hat er 2011 das Label klangmœbel gegründet. Ralf Haarmann lebt und arbeitet in Münster und Berlin.

Ausschnitt aus dem Hörspiel „Urbanes Narrativ: Das Geheimversteck“